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Projektbeschreibung

Das Projekt untersucht den Umgang mit Antisemitismus im Parlament der Zweiten Republik und stellt diesen in den Kontext der Demokratieentwicklung.

Politischer Antisemitismus hat in Österreich eine lange Tradition und wurde auch im Parlament (Monarchie und Erste Republik) als politische Strategie eingesetzt. D.h. ein politisches Anliegen konnte vorangetrieben werden, indem es mit antisemitischen Vorurteilen verknüpft wurde (vgl. Stachowitsch/Kreisky). Nach der Shoah scheint der politische Antisemitismus beendet. Hier stellt sich die Frage, ob und in welcher Form Antisemitismus als politische Strategie im österreichischen Parlament nach 1945 fortwirkt, sich verändert oder verschwindet und wie diese Veränderungen mit der Entwicklung der Demokratie in Österreich zusammenhängen.

Die Antisemitismusforschung geht u.a. davon aus, dass im öffentlichen Diskurs in Österreich antisemitische Äußerungen zunehmend tabuisiert wurden. Wir verfolgen diese These im Parlament als einem Ort, an dem wesentlich das öffentlich Sagbare definiert wird. Die These des Antisemitismus-Tabus bedeutet auch, dass das gesellschaftliche Ressentiment gegen Juden und Jüdinnen nicht schlagartig verschwunden ist. Vielmehr ist anzunehmen, dass antisemitische Vorurteile in weniger offenen Formen zum Ausdruck gebracht wurden und werden – z. B. in Form von Anspielungen, Kodierungen, oder einem ‚discourse of silence‘ (Ruth Wodak).

Ausgangspunkt unserer Studie ist, dass der Umgang mit Antisemitismus im Parlament Aufschlüsse über die Demokratieentwicklung liefern kann. Die Zweite Republik in Österreich sollte einen demokratischen Neuanfang bedeuten, und die Gründungsparteien 1945 (ÖVP, SPÖ, KPÖ) bekannten sich einhellig zu Demokratie und Parlamentarismus. Sie einigten sich auf die Wiedereinführung der Verfassung von 1920 (in der Fassung von 1929) und konnten sich weitgehend auf formale Mindeststandards von Demokratie verständigen (Rechtsstaatlichkeit, Wahlen, Parlament usw.). Darüber hinaus gab es jedoch wenig Konsens, was die neue Demokratie qualitativ ausmachen sollte. Als Ersatz für diese Nicht-Definition diente die Abgrenzung vom Nationalsozialismus. Auf eine Formel gebracht: ‚Demokratie ist das, was nicht Nationalsozialismus ist.‘ Damit wird auch Antisemitismus dem NS zugezählt und so zu einem Marker für Demokratie-Unfähigkeit oder -Unwilligkeit.

Der Begriff ‚Demokratieentwicklung‘ bezieht sich auf die Erarbeitung bzw. Etablierung einer politischen Kultur, die die Existenz einer modernen, pluralistischen Gesellschaft affirmiert. Dabei meint Entwicklung weder einen progressiven noch einen linearen Prozess hin zu mehr Demokratie. Vielmehr sollen Veränderungen erfasst und untersucht werden, die mitunter nur im Vergleich punktueller Beobachtungen konstatiert werden können. 

Der Fokus auf parlamentarische Rhetorik ermöglicht die Analyse von Aushandlungsprozessen in Bezug auf gesellschaftliche Pluralität. Parlamentsdebatten geben somit Aufschluss über Deutungskämpfe von Demokratie und Demos und ermöglichen eine Re-Konstruktion von Ein- und Ausschlüssen. Sofern Antisemitismus als politische Strategie delegitimiert ist, sollten antisemitische Anspielungen dabei keine Rolle spielen.  

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